Übersicht der Ergebnisse unserer ersten Projektphase

Wie verändern digitale Medien das Aufwachsen unserer Kinder? 

Kein anderer Bereich der kindlichen Lebenswelt hat sich in den vergangenen Jahren so stark gewandelt, wie derjenige der Mediennutzung und den damit verbundenen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und Interaktion. Nicht nur die Medien, die Familien zur Verfügung stehen, haben sich verändert und sind “smarter” geworden, sondern auch Geräte und Anwendungen, die Kinder (immer früher und ausgiebiger) für sich nutzen (können). Damit gehen u. a. auch Veränderungen in Bezug auf die Kommunikation und die Beziehung mit anderen Familienmitgliedern oder Freund*innen einher. 


Der Medienalltag von Familien über einen längeren Zeitraum betrachtet 

Vor diesem Hintergrund war es sehr spannend, in unserer ersten Projektphase (2018-2021) zu erforschen, wie sich über die Zeit und je nach Alter und Entwicklungsphase der Kinder deren Mediennutzung wandelt und wie dies auch die Familie beeinflusst. Wie werden Medien von den Kindern in den Familien genutzt, um z. B. Nähe zu anderen Familienmitgliedern herzustellen oder sich auch gewisse Freiräume zu erobern? Welche Rolle spielen Medien, um sich den Freund*innen zugehörig zu fühlen oder sich von diesen abzugrenzen? Für uns schienen vor allem Übergangsphasen (z. B. vom Kindergarten in die Grundschule oder der Wechsel auf eine weiterführende Schule) interessante Zeitpunkte, weshalb wir 2018 sowohl jüngere Kinder im Alter von etwa sechs bis sieben Jahren als auch ältere Kinder im Alter von etwa 10 Jahren interviewt haben. Rund 30 Familien nehmen an dem Projekt teil und wurden seitdem viermal von uns befragt.1   


Medien als Mittel zur Herstellung von Nähe und Aushandlung von Freiräumen 

Die Auswertung der Interviews hat gezeigt, dass Familienmitglieder sich bei der gemeinsamen Nutzung von Medien in vielfältiger Weise nahe sind. Sie lesen beispielsweise gemeinsam Bücher oder sehen sich gemeinsam Filme und Serien an. Zudem führen besonders die älteren Kinder häufig Gespräche über unterschiedliche medienbezogene Themen und Interessen (z.B. gemeinsames Interesse an Bildbearbeitung oder bestimmten Filmen, Serien oder Videospielen) mit ihren Eltern bzw. ihren Geschwisterkindern. Durch unterschiedliche mediale Interessen grenzen sich Familienmitglieder jedoch auch voneinander ab. Häufig schauen Geschwisterkinder mit einem größeren Altersunterschied mit zunehmendem Alter nur noch selten gemeinsam Filme oder Serien, weil die Interessen zu weit auseinander gehen und sie sich nicht mehr auf einen Inhalt einigen können. Es zeigt sich auch, dass Eltern das Interesse der Kinder an der Nutzung bestimmter Apps oder Geräte nicht immer nachvollziehen können und sich deshalb nicht näher damit auseinandersetzen wollen. Die Kinder nutzen die sich ihnen bietenden Möglichkeiten, sich durch die Nutzung unterschiedlicher Medien ohne elterliche Begleitung zu erproben und sich teilweise auch von diesen zu distanzieren. Ähnlich wie sich Jugendliche schon immer ihre Freiräume gesucht haben, fordern sie diese auch im Kontext der Mediennutzung ein. So lassen Eltern ihre Kinder mit zunehmendem Alter z. B. eigenständiger digitale Endgeräte (Smartphones, Tablets und Co.), Social-Media-Angebote oder bestimmte Videospiele nutzen, auch wenn sie noch nicht das angegebene Mindestalter haben. Hier spielen unterschiedliche Voraussetzungen eine zentrale Rolle, etwa der Entwicklungsstand und die Persönlichkeit des Kindes, aber auch die (Vertrauens-)Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Die medienbezogenen Vereinbarungen sind dabei keinesfalls immer konfliktfrei, sondern führen im Alltag der Familien durchaus häufiger auch zu Diskussionen, bspw. wenn sich Eltern explizit gegen die Nutzung einer bestimmten App aussprechen. 

Dabei orientieren sich die Interessen und Nutzungsmuster häufig auch am Freundeskreis der Kinder beispielsweise, wenn bestimmte (Social Media-)Apps im Trend sind, gemeinsam aktuelle Filme oder Serien angesehen werden oder sich die Heranwachsenden über unterschiedliche Videospiele austauschen. Wenn sich ein Kind beispielsweise wünscht, einen Messenger nutzen zu dürfen, um sich seinen Freund*innen zugehörig zu fühlen, wird dieser soziale Druck wiederum für die Eltern spürbar, weshalb sie dem Drängen dann in der Regel nachgeben und eine Installation bzw. Nutzung erlauben.  

Insgesamt stellt die Regulierung der Mediennutzung von Kindern für die Eltern oft eine Herausforderung dar, die mit vielen Unsicherheiten verbunden ist: Welche Medien(inhalte) darf mein Kind wie lange nutzen? Wie kontrolliere ich, ob mein Kind sich an die vorgegebenen Regeln hält? Wie kann ich erfahren, wie mein Kind z. B. Social Media oder Games nutzt, wenn ich die Angebote nicht kenne oder nutze und mein Kind nicht gern davon erzählt? Wie kann ich dafür Sorge tragen, dass mein Kind die Chancen (digitaler) Medien ausschöpfen kann und ich es dennoch vor den Risiken schütze? Viele Eltern versuchen diesen Herausforderungen zu begegnen, indem sie die Mediennutzung durch zeitliche Einschränkungen, zum Beispiel der Nutzungsdauer oder -häufigkeit, regulieren. Aber auch inhaltliche Beschränkungen, etwa aufgrund der Altersfreigabe oder eigener Einschätzungen, ob das entsprechende Spiel, die App oder die Serie für ihr Kind geeignet erscheinen, werden vorgenommen. Darüber hinaus wird der Zugang zu Endgeräten, wie Smartphones, Tablets, etc. von Eltern oft beschränkt. Diese Regulierungen werden in einigen Familien mit technischen Tools (wie z. B. Family Link) umgesetzt und kontrolliert, während andere Familien dies in Gesprächen aushandeln. Generell führt die Mediennutzung häufig auch zu Diskussionen oder Konflikten, wenn die Kinder sich mehr Freiräume in der Mediennutzung wünschen.  

Die Interviews mit den Familien haben deutlich gezeigt: Die Familien gehen sehr unterschiedlich mit diesen Herausforderungen um. Es gibt nicht die eine “richtige” oder “gute” Mediennutzung oder ein Rezept für eine gute Medienerziehung. Bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen sind immer die jeweiligen Familienkonstellationen und die Bedürfnisse aller Beteiligten mitzuberücksichtigen.  


Wie geht es weiter? Was verändert sich, was bleibt? 

Uns interessiert, wie sich die Mediennutzung in den untersuchten Familien weiter verändert bzw. inwiefern sich das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen unter den Bedingungen der aktuellen medialen Entwicklungen mit zunehmendem Alter verändern wird. Für uns wird vor allem die Frage relevant, wie sich Freundschaften auf die Auswahl, aber auch die Nutzung von Medien auswirken. Bei den jüngeren Kindern stellt sich auch die Frage, inwiefern sich der Schulübergang auf die Mediennutzung auswirkt, insbesondere, wenn es um die Anschaffung eines eigenen Smartphones geht. Bei den älteren Kindern wird der Blick zunehmend in Richtung der Entwicklung jugendlicher Mediennutzung und der eigenen Identitätsfindung rücken. Wir sind sehr gespannt und hoffen, dass wir das Projekt noch möglichst lange werden fortsetzen können. 


1 An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Kindern und Eltern bedanken, dass sie dieses langfristige Forschungsprojekt unterstützen und uns Einblick in ihren Familienalltag gewähren.  

Ausführliche Ergebnisse finden sich in der Abschlusspublikation zu unserer ersten Projektphase